Wie die Digitalisierung der Prozesse gerade kleinere Krankenhäuser retten könnte.
Dass es den Krankenhäusern in Deutschland wirtschaftlich nicht gut geht, ist keine neue Erkenntnis. Zwischenzeitlich wurde es in der öffentlichen Wahrnehmung etwas ruhiger, es schien als warteten alle auf die Eckpunkte der Krankenhausreform, die am 5.12. von der Bund-Länder-AG vorgelegt wurde.

In Kürze: Mehr Geld ins System – mehr Qualität – weniger Betten – mehr Kontrolle – und doch werden weder die Probleme noch die Strukturen geändert.

Figur012aDie Eckpunkte zu Krankenhausreform lösten Widerstand aus.
Unbestritten ist, dass ein Strukturwandel in der deutschen Krankenhauslandschaft überfällig ist, den großen Wurf hierzu liefert die geplante Reform jedoch nicht. Entscheidende Aspekte werden aussen vor gelassen und lösen damit  Widerspruch bei Krankenhausgesellschaft und Ärzteschaft aus.
Es werden weder die eigentlichen Probleme gelöst noch der überfällige Strukturwandel in der deutschen Krankenhauslandschaft durch die Krankenhausreform vorangetrieben.
Nach wie vor besteht ein immenser Investitionsstau, den die Häuser nicht mit den für die Patientenversorgung bereitstehenden Mitteln auflösen können.

Qualität aus dem Nichts?
Die Qualität der Versorgung zu fördern ist ein sehr ehrenwertes Ziel. Es wird niemanden geben, der dies nicht unterstützt. Begrüßenswert auch die Verankerung in den Eckpunkten. Bei genauerer Betrachtung ist allerdings auch hier wieder festzustellen, dass es der Bund-Länder-Arbeitsgruppe nicht so sehr um echte Veränderung ging sondern eher darum möglichst wenig Widerstand zu erzeugen.
So soll beispielsweise Qualität ein Kriterium für die Krankenhausplanung werden.

Allerdings: Die Qualitätskriterien müssen erst mal festgelegt werden – dafür kann sich der GBA nun zwei Jahre Zeit lassen. Ob sich die Länder dann bei ihrer Planung verbindlich danach richten, bleibt ihnen überlassen und die Frage wie denn v.a. Ergebnisqualität rechtssicher gemessen werden kann, ist derzeit noch unbeantwortet.

Die geplanten Maßnahmen zum Aufbau des Pflegepersonals mit dem Pflegestellenförderprogramm  sind in jedem Fall positiv zu bewerten, sie kommen allerdings spät und leider im Entwurf etwas halbherzig daher. In den vergangenen Jahren sind Pflegestellen kontinuierlich abgebaut und eingespart worden. Die Auswirkungen auf die Versorgungssituation und die Prozesse sind z.T. verheerend und werden mit vorgesehenen Maßnahmen nicht nachhaltig bekämpft werden können. Die zurecht geforderte hohe Qualität im Versorgungsprozess benötigt sehr viel mehr als den überfälligen Aufbau von Pflege, der im Übrigen auch nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen ist.

Für Prozessoptimierung v.a. der IT-gestützten wurden keine Mittel bereitgestellt.
Der in den vergangenen Jahren in den Kliniken entstandene Investitionsstau beträgt laut dem Vorsitzenden der TK, Jens Baas, etwa 30 – 50 Milliarden Euro. Neben notwendigen Baumaßnahmen wären Kliniken gut beraten, in ihre technologische Infrastruktur zu investieren,

Innovative Technologien und Verfahren können dabei helfen Prozesse zu verschlanken und Mitarbeitern z.B. mit mobilen Lösungen das Arbeitsleben zu erleichtern. Sie können so helfen Effizienz zu steigern, Kosten zu reduzieren und Qualität z.B. in der Dokumentation zu steigern. Eine moderne IT-Infrastruktur wird auch ein Eckpfeiler für eine Stärkung der sektorübergreifenden Zusammenarbeit sein. Aber wie über echte Modernisierung sprechen, wenn immer noch gut ⅔ der deutschen Krankenhäuser keine flächendeckende WLAN-Ausstattung⁠1 haben? Ohne WLAN sind Mobility-Szenarien kaum denkbar, geschweige denn eine umfassende elektronische klinische Dokumentation, die medienbruchfrei und durchgängig implementiert eine der Grundvoraussetzungen für die Realisierung von ökonomischen Optimierungsreserven ist.

Der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die das neue Gesetz vorbereitet sei klar, dass die jährlichen Investitionsmittel in den vergangenen 20 Jahren anstatt anzusteigen um 1,2 Mrd. Euro gesunken sind, so Annette Widmann-Mauz, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium. 1,2 Mrd. Euro pro Jahr, die fehlten um die Krankenhäuser technologisch fit für das 21. Jhdt. zu machen. Der vorgesehene Investitionsfonds kann diesen Stau nicht auflösen. Unklar ist auch die tatsächliche Höhe des Staus, denn Widmann-Mauz und Baas liegen bei ihrer Einschätzung deutlich auseinander.

Zukunftsorientierte strategische Entscheidungen sind unterblieben.
Betrachtet man die Entwicklung der Krankenhauslandschaft in den vergangenen Jahren genauer, sind es nicht die Dinge, die getan sondern diejenigen, die unterlassen wurden, die ins Auge stechen.

Unterlassen wurden offensichtlich Maßnahmen, die geeignet sind Prozesse zu unterstützen und zu verschlanken. Maßnahmen, die die geeignet sind Zuweiser und Patienten zu binden und Fallzahlen zu erhöhen. Unterlassen wurden Maßnahmen, die zunächst eine Investition erfordern und die ihre volle Wirksamkeit vielleicht erst 2-3 Jahre nach Einführung entwickeln.

Ein Ausbau der IT-Infrastruktur in den Häusern z.B. hin zu einer flächendeckenden Bereitstellung von WLAN oder einer umfassenden Digitalisierung der Dokumentation erfolgte entweder nicht oder nicht in ausreichendem Maße. Ein Armutszeugnis für Deutschland, dass es zwar ein deutsches Krankenhaus mit EMRAM Level 7 (das Universitätskrankenhaus Eppendorf) gibt, allerdings nicht ein einziges, das über Level 6 verfügt.

Kleine und ländliche Krankenhäuser stehen am Abgrund.
Ländliche Krankenhäuser werden seit Jahren immer weniger – mal schließen sie, meistens werden sie von den großen Krankenhauskonzernen gekauft. Diesmal sind es die niedersächsischen Krankenhäuser.
Ausgesprochenes Ziel der Politik ist der Abbau von Betten und in der Konsequenz auch der von Krankenhäusern. Die niedersächsischen Krankenhäuser haben alles getan, was die Politik verlangte und stehen doch vor unlösbaren Problemen. Fusionierung, Outsourcing und GmbH-Gründung sind kein Garant für wirtschaftlichen Erfolg – in keiner Branche. Politiker sind eben keine Unternehmensberater.

Die neue Reform sieht einen Fonds vor, der die Abwicklung defizitärer Häuser unterstützt und eben nicht einen, der diesen Häusern hilft, sich aus ihrer Lage zu befreien und die notwendige Versorgung mit höherer Qualität, geringeren Kosten und damit mit verbesserter Wirtschaftlichkeit zu erbringen.

Sicherstellungszuschläge für wohnortnahe Krankenhausversorgung in ländlichen und strukturschwachen Regionen könnten ja der Rettungsanker für die niedersächsischen Krankenhäuser sein. Nur dass die Zuschläge nicht helfen werden, aus einem maroden Provinzkrankenhaus ein zukunftsorientiertes, wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen mit  sektorübergreifendem Versorgungsansatz, telemedizinischer Abdeckung fehlender Spezialisierungen, portalgestützter Anbindung von Ein- und Zuweisern, transparenter und bürokratiearmer klinischer Dokumentation auf mobilen Devices, attraktiven familienfreundlichen Arbeitsplätzen in der Klinik durch Ermöglichung von HomeOffice und mobiler Kommunikation, patientengerechte verbindliche Information über Leistungen, Termine und an den Aufenthalt anschließender Versorgung zu machen.

Eine medienbruchfreie IT-Unterstützung der klinischen Prozesse könnte gerade den kleinen, existentiell bedrohten Häusern bei ihrem Überlebenskampf helfen –  dafür müssten sie allerdings investieren.
Mit einer verpflichtenden Förderung der infrastrukturellen Investitionen v.a. mit dem Fokus auf einer Verbesserung der Prozesse und einer digitalisierten Dokumentation ließen sich nachhaltig Kosten senken und die Wirtschaftlichkeit erhöhen.
Als positiver Nebeneffekt ließen sich so Qualitäts- und Transparenzsteigerungen umsetzen und Erleichterungen für die Mitarbeiter im klinischen Alltag realisieren.

Für den Entwurf und die Umsetzung bräuchte es Mut, Weitsicht und den Willen die Gesundheitsversorgung in Deutschland ins 21. Jhdt. zu führen.

Es bleibt zu hoffen, dass die Bund-Länder-Arbeitsgruppe nicht nur weiterhin im Zeitplan bleibt, sondern diese Eigenschaften noch entwickelt und in den Entwurf einfliessen lässt. Denn so könnten einige der niedersächsischen Krankenhäuser überleben.

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1 European Hospital Survey- Benchmarking Deployment of eHealth services (2012-2013)
Sample: 3847 hospitals were identified in Germany. Within this rough universe 2534 (61%) completed the screener part of the questionnaire and 1295 qualified as acute care hospitals. The size and ownership characteristics of these hospitals was very similar to the ones of the universe of acute Hospitals at EU27+3 level. Out of the German universe, 201 acute hospitals (16%) completed the survey.

Wieso brauchen wir die IT im klinischen Prozess eigentlich so nötig?
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