GenY-CloudIn der Presse sind sie seit längerem das Top-Thema und für jeden Gesellschaftsbereich wird genau ausgelotet, welche Auswirkungen es haben wird und wie man sich darauf einstellen muss, dass sie jetzt bald das Sagen haben: die sogenannten GenY’s. Insbesondere Arbeitgeber versuchen sie zu durchleuchten und sich auf ihre vermeintlich komplett anderen Werte einzustellen, um sich in der zukünftigen Fachkräfteknappheit gut aufzustellen. Und auch das Gesundheitswesen muss sich auf die „Millennials“ einstellen – und zwar nicht nur auf deren Bedürfnisse als werdende Ärztinnen und Ärzte.

Ein paar Fakten und Vorurteile:

Als Generation Y werden die etwa zwischen 1980 und 1998 Geborenen bezeichnet, teilweise werden sie auch Millennials[1] genannt, weil sie um die Jahrtausendwende in den prägenden Teens waren. Aktuell machen sie in Deutschland etwa 15% der Gesamtbevölkerung aus, etwa ein Viertel der Arbeitskräfte – und in zehn Jahren schon 75% der Berufstätigen.

Während die Bezeichnung einerseits logisch auf die Generation X davor folgt, gibt es im Englischen eine weitere Erklärung: Die Generation „WHY?!“ hinterfragt alles und gibt sich nicht mit dem Gegebenen zufrieden. Das ist an sich nicht ungewöhnlich – die meisten Generationen sind ja nicht mit den Ideen ihrer Eltern zufrieden – allerdings hat die Generation Y einen entscheidenden Vorteil gegenüber Generationen davor: das Internet und damit den Zugang zu Information und Austausch zu jedem nur erdenklichen Thema. Aber dazu später.

Es wird geunkt, dass die GenY’s „Weicheier“ seien, die einen anspruchsvollen Job nicht „durchhalten“ könnten, weil sie in materiell gesicherten Verhältnissen behütet aufgewachsen seien. Schließlich wurden sie mit dem „Taxi Mutti“ von Ballet zu Verabredung gefahren und waren mit Handy und jeder Menge technischer Gadgets versorgt. Andererseits zeigt schon die Shell-Jugendstudie 2010, dass immer mehr Jugendliche einen qualifizierten Schulabschluss erreichen und danach zielstrebig studieren – und zwar wesentlich kürzer als sämtliche Generationen davor. Und schon hier zeigt sich die hohe Anspruchshaltung der Generation: Das Studium muss sinnvoll und effizient sein, es muss „funktionieren“.

Hohe Anspruchshaltung … und hoher Einsatz

Status und Karriere, Erfolg und Geld haben bei den Millennials nicht mehr dieselbe Zugkraft, die sie bei den vorigen Generationen hatten –Themen wie der Sinn der eigenen Arbeit, die Selbstbestimmung, Teilzeitarbeit, flexible Arbeitszeiten, mehr Urlaub und ein gutes Gesundheitsmanagement gewinnen an stattdessen an Wert. Wenn die Sinnhaftigkeit der Arbeit stimmt, die Selbstverwirklichung und die Wertschätzung, dann ist auch die Bereitschaft hoch, sich dafür einzusetzen. Über eine gesunde Work-Life-Balance wird also nicht mehr diskutiert, sondern sie wird gelebt. Der Burnout, die „Modekrankeit“ der Generation X, scheint zukünftig also schon in der Wurzel kuriert zu werden. Und das wäre sicher auch sinnvoll, wo das Rentenalter schon jetzt bei 67 Jahren liegt.

Es ist zu erwarten, dass sich diese Anspruchshaltung auch auf die „Serviceleistungen“ von Mediziner_innen übertragen wird. Arztpraxen müssen zum kundenorientierten Dienstleistungsunternehmen werden: effizienter organisiert, mit flexibleren Öffnungszeiten und reibungslos funktionieren. Der bürokratische Aufwand muss reduziert und vereinfacht werden, die verschiedenen Disziplinen nahtloser zusammenarbeiten. Davon sind wir heute noch weit entfernt.

Die notwendige Vereinfachung der Systeme und der damit verbundene Datenaustausch dürfte für die Generation, die Facebook von der ersten Stunde an genutzt hat, keine Schwierigkeit sein: Sie hat ein anderes Verhältnis zu Datenschutz als die meisten anderen Generationen – nämlich ein recht freigiebiges.

Großes Informations- und Mitteilungsbedürfnis

Die jetzt 18-25-jährigen sind die erste Generation, die von Anfang an quasi voll-computerisiert und mit Internet-Zugang aufgewachsen sind. Sie kennen sich im Social Web besser aus als ihre Eltern, sind dort hervorragend vernetzt und nutzen das Internet gezielt als Informationsquelle und zum Meinungsaustausch.

Die Generation Y ist engagiert und möchte etwas bewegen, auch wenn dies manchmal in den belächelten „Hashtag Aktivismus“ ausartet, der so schön mühelos ist. Wenn das Ziel klar und eindeutig ist, gesellschaftlich sinnvoll erscheint und „Glück stiftet“, setzen sich die GenY’s auch voll dafür ein.

Für Ärzte und Ärztinnen bedeutet dies, dass ihre „Kundschaft“ mit ganz anderen Vorkenntnissen in die Praxis kommt. Sie haben sich zielstrebig und ausgiebig im Internet informiert und erwarten in der Praxis Meinungsaustausch und fachkundige Anleitung. Sie werden ihre Meinungen und Erfahrungen über den Besuch in der Praxis mit ihren Freunden im Social Web teilen, wo sie sich in kürzester Zeit über große Entfernungen und Personenzahlen verbreiten. Und sie erwarten, sie mit ihren mobilen Devices Zugang und Zugriff haben, dass man mit ihnen darüber kommuniziert und dass sie auch außerhalb von Praxismauern informiert, betreut und behandelt werden.

Die Ärzteschaft der Zukunft kann also davon ausgehen, dass Bewertungen und Rankings im Internet sich durchsetzen und immer mehr Beachtung finden werden. Ob dies auch Auswirkungen auf die Qualität der Behandlung haben wird, bleibt abzuwarten.

Generation Y als Patienten: Einige Herausforderungen stehen an

Zusätzlich zu den bekannten „großen“ Krankheiten der Gesellschaft wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Erkrankungen des Bewegungsapparates wächst die Generation Y mit weiteren Herausforderungen an die Medizin heran.

Bereits jetzt sind 52% der Bevölkerung übergewichtig und fast 15% fettleibig – Tendenz steigend: Im Jahr 2030 schätzt die WHO, werden in Deutschland fast die Hälfte der Frauen und zwei Drittel der Männer übergewichtig sein. Studien über Diabetes zeigen in Australien bereits die Auswirkungen: Die Generation Y wird zur Generation D – ein Drittel der Australier in dieser Altersgruppe wird an Diabetes II erkranken. Mit dieser Zukunftsperspektive wird die Generation schnellstmöglich Präventionsmaßnahmen und Umgehensweisen finden müssen.

Die Tendenz, sich wenig zu bewegen, wird durch die immer größere „Computerisierung“ der Gesellschaft in der Generation Y weiter voran getrieben. Menschen bewegen sich immer weniger vor die Tür, sondern ordern Essen und Bekleidung nach Hause, haben ihre „Freunde“ online und werden trotz social networks immer „a-sozialer“. Die Zahl der Online-Süchtigen steigt unter den Jugendlichen, wie Studien zeigen: Dabei verlieren sich Mädchen mehr in sozialen Netzwerken, Jungs in Online-Rollenspielen. Es wird sich zeigen, ob diese Entwicklung sich signifikant in der Psychologie wiederfinden wird oder nur ein vorübergehender Trend bleibt.

Eine weitere “digitale Krankheit”, die in den USA bereits 68% der Generation Y betrifft, umfasst die Überlastung der Augen in Verbindung mit Spannungskopfschmerz und Nacken-Rückenschmerzen. Dies wird insbesondere auch in der Arbeitswelt Niederschlag im Gesundheitsmanagement finden müssen.

Selbstoptimierung und Selbstdiagnose mithilfe des Internets

Während die 18-25-jährigen also ein gutes und funktionierendes Gesundheitsmanagement erwarten, erwarten sie auch – und das mit recht viel Eigendruck –, dass jede und jeder selbst etwas für die eigene Gesundheit tut. Websites, Apps und Wearables bieten dafür unendliche Möglichkeiten, sowohl der Selbstbeobachtung als auch der Selbstoptimierung.

Schon heute müssen sich Mediziner_innen immer häufiger mit Patienten auseinandersetzen, die viele Möglichkeiten zur Selbstdiagnose haben und diese auch nutzen, z.B. über „Dr. Google“. Eine GfK MRI Studie zeigt dazu, dass 47% der Generation Y der Ansicht sind, sie seien „ihr eigener Arzt“. 40% gehen erst zum Arzt, wenn sie sich „sehr krank“ fühlen. Und dann auch gern einmal mit einer „eingebildeten Krankheit“, diagnostiziert mithilfe des Internets.

Am Ende bleibt zunächst einmal die Erkenntnis, dass sich die Generation Y als Ärztinnen und Ärzte der Zukunft demnächst selbst behandeln wird und mit ihren eigenen Eigenheiten und auch Krankheiten konfrontiert wird. Sie werden immer mehr zur „Wissensarbeitern“, die ihren informierten Patientinnen und Patienten auf Augenhöhe begegnen und sie begleiten und anleiten. Hoffen wir, dass beide gesund bleiben, denn dies wird nicht die größte Herausforderung für diese Generation sein: Sie wird sich darauf einstellen müssen, die Versorgung der höheren Jahrgänge, der Babyboomer und der frischen Rentner der geburtenstarken Generation X zu übernehmen.

[1] Die Definition der „Generationen“-Begriffe werden sowohl in unterschiedlichen Ländern wie auch in unterschiedlichen Fachgebieten nur annähernd gleich verwendet. Eine Aufstellung findet sich beispielsweise hier.

Patienten der Zukunft – verändert die Generation Y das Gesundheitswesen?